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Real Time Bidding: Die neue Sau im digitalen Dorf?!

30 Jan

Real Time Bidding (RTB) gewinnt augenscheinlich an Bedeutung im Display-Advertising Markt. So stiegen die RTB-Anzeigenverkäufe in Deutschland in 2012 um satte 171% und machen mittlerweile gut 8% der Online-Werbeausgaben aus. Tendenz: Steigend! Prognosen gehen sogar von einem gesamteuropäischen Investitionswachstum von 420% bis 2017 aus. Der Erfolgsfaktor: Die RTB-Technologie zielt einzig auf eine an Nutzerprofilen, qualitative Ansprache unabhängig vom Werbeumfeld. Große Online-Player, die bisher vornehmlich auf Reichweite setzten, fühlen sich anscheinend derart von dieser neuen Form der Online-Werbung bedroht, dass sie versuchen den Qualitätsaspekt ihrer Werbemöglichkeiten umzuinterpretieren: Die PR-Initiative 4Q von United Internet und drei weiteren Mitstreitern tut genau das. Im Grunde verständlich, denn RTB hat echtes Potenzial:

In 16 Millisekunden zur zielgruppen-relevanten Online-Display-Werbefläche! Exakt so lange benötigt die Technologie um vollautomatisch und in Echtzeit Werbeflächen zu bewerten, anzubieten, zu verkaufen und auszusteuern. Hierbei richtet sich die  Schaltung aber nicht mehr nach Werbeumfeldern sondern nach vom Werbetreibenden konkreten festgelegten Nutzerprofilen. Klasse statt Masse eben und höchste Zeit, diese „neue Sau“ im digitalen Dorf etwas genauer anzuschauen und herauszufinden, ob man die Kirche in demselben lassen kann bzw. um zu zeigen, was heute noch nicht funktioniert und was getan werden muss, um alle Potenziale dieses Ansatzes richtig zu nutzen.

1. Wie funktioniert’s?

Irgendjemand ruft eine beliebige Website auf. Jetzt passiert folgendes: Dieser jemand wird über seinen Browser bzw. seine gespeicherten Cookies identifiziert. Zwar nicht als Walter Müller aus Frankfurt, sondern in Form eines anonymisierten Profils mit soziodemographischen Daten zu Geschlecht, Alter, regionaler Herkunft aber auch Themeninteressen auf Grund seines Klickverhaltens. Voraussetzung, dass der RTB-Prozess nun in Gang kommt ist, dass der Webseitenbetreiber seine Plattform für den RTB-Handel freigegeben und die zur Verfügung stehenden Werbeflächen (Inventar) über eine sogenannte Sell-Side Plattform (SSP) bereitgestellt hat. Dem gegenüber steht die Demand-Side Plattform (DSP): Sie bildet die Schnittstelle zu den Werbemarktplätzen und gibt den Werbetreibenden (Agenturen, Werbekunden) direkten Zugang zu den Werbeumfeldern der Webseitenbetreiber. Nun sendet die SSP eine Anfrage an die angebundenen DSPs und Ad Networks. Diese enthält den Werbeplatz und das Nutzerprofil mit User-ID. Im Anschluss prüfen diese, ob das Nutzerprofil zu den vorher durch den Werbetreibenden festgelegten Zielgruppen-Parametern passt. Wenn ja, platzieren sie ein Gebot, das sich am Wert des Nutzerprofils für den Werbetreibenden orientiert.  Die SSP-Seite sammelt alle Gebote und schlussendlich erhält der Höchstbietende den Zuschlag und dessen Werbebanner wird eingeblendet. Der gesamte Prozess läuft im Hintergrund parallel zum Seitenaufbau ab. Der Besucher bekommt davon nichts mit.

Der RTB-Prozess

Der RTB-Prozess

2. Vor- und Nachteile

Für Publisher

Für Webseitenbetreiber ist der größte Vorteil, dass diese ihre Werbeplätze immer an den Höchstbietenden verkaufen können und so einen höheren Preis als ohne RTB erzielen. Dies gilt insbesondere für die Restplatzvermarktung. Außerdem besteht keine Gefahr, dass die Umsätze aus dem direkten Premium-Verkauf kannibalisiert werden. Durch sogenanntes Black-Listing und White-Listing kann via Listen festlegt werden, dass ein bestimmter Werbekunde durch RTB nicht günstiger an die Ad-Impression kommt, als über die Hochpreis-Kampagne. Der Positiveffekt ist, dass Kontrollverlust ausgeschlossen werden kann, da der Verkäufer steuern kann wer und in welchem Umfang an die Daten eins Users bzw. die Werbeplätze kommt. Darüber hinaus ist das Kampagnen-Handling vollautomatisiert, was Flexibilität und Zeitgewinn bedeutet.

Wenn ein Nachteil angeführt werden kann, dann liegt er in den anfänglichen Investitionskosten für Technik und notwendigen Schnittstellen. Diese werden sich jedoch durch die höheren Einnahmen egalisieren. Auch muss Zeit in ein echtes Verständnis für den RTB-Prozess investiert werden um eine optimale Aussteuerung zwischen Premium-Verkauf und RTB zu erreichen.

Auf eine Blick:

+ maximaler Preis je Werbefläche
+ sehr gut für Restplatzvermarktung
+ Black- und White-Listing sorgt für Kontrolle
+ vollautomatisiertes Kampagnen-Handling
+ höhere Preistransparenz durch Auktionsverfahren
+ Gewinn von Flexibilität und Zeitersparnis
  Investitionskosten in Technologie
–  Zeit-Invest in umfassendes Verständnis

Für Werbungtreibende:

In erster Linie ist es möglich eine Performancesteigerung zu erzielen, da nur auf die User-Profile geboten werden, die (nach eingehender Zielgruppen-Analyse!!!) hohe Klickwahrscheinlichkeiten aufweisen. Der Werber kann dann sein Gebot exakt am User-Wert ausrichten und so auch auf weniger attraktiven Seiten der Publisher „guten“ Traffic zu guten Preisen einkaufen. Darüber hinaus kann auch der Werbungtreibende Black-Lists festlegen um beispielsweise Werbeumfelder, die aus Imagegründen nicht passen, auszuschließen. Im Gegenzug natürlich auch White-Lists mit den Seiten, die für die eigene Zielgruppe am relevantesten sind.

Der Festlegung der Zielgruppen sind fast keine Grenzen gesetzt. Sowohl die Anzahl der Zielgruppen kann sehr umfangreich sein als auch die Zahl und Ausprägung der definierten Zielgruppenmerkmale (bspw. eine Zielgruppe Männer, 25-40, höherer Bildungabschluss, Wohnsitz im Speckgürtel, hohes Klickvolumen bei Touristik etc. – bis zu 30 Merkmale) Nachteile: Auf den ersten Blick erscheint eine einzelne Ad-Impression teurer, da jedoch nur auf solche Profile mit einer hohen Konvertierungswahrscheinlichkeit geboten wird, rechnet sich das in Summe wieder. Voraussetzung auch hier: Je mehr der Werbungtreibende über seine Zielgruppe Bescheid weiß, desto besser und höher der ROI!). Auch hier sind die initialen Kosten als Nachteil anzuführen, da die eigene Anbindung an den RTB-Handel mit einem gewissen technischen Aufwand verbunden ist.

Auf einen Blick:

+ ZG-Qualität statt Quantität: Gebot nur auf die wirklich relevanten User-Profile
+ Performance-Steigerung
+ Preistransparenz: Kosten pro Kontakt ersichtlich
+ Exakte Ausrichtung des Preises am User-Wert
+ Kontrolle durch Black- und White-Listing: Ausschluss von imageschadenenden Umfeldern
 Investitionskosten in Technik und Schnittstellen
 einzelne Ad-Impression im Schnitt teurer (rechnet sich aber auf)

Vorteile von RTB

Vorteile von RTB

3. Der Datenaspekt

Wie weiter oben bereits angedeutet: Mit je mehr Informationen ein Nutzerprofil angereichert werden kann und je besser ich als Werbetreibender Bescheid weiß, welche Profil-Merkmale welches Click- und Conversion-Verhalten zur Folge haben, desto erfolgreicher ist RTB. Im ersten Schritt sollten auf den eigenen Seiten so viele Daten wie möglich über die eigenen Zielgruppen erhoben werden. Reichen diese nicht aus gibt es die Möglichkeit von Drittanbietern Daten hinzuzukaufen. Dies erfolgt über sogenannte Data Management Plattformen (DMP). Diese sammeln Nutzerdaten wie beispielsweise soziodemographische Daten (z.B. Geschlecht, Alter, Einkommen), Interessen oder Kaufintention. Das ist durchaus sinnvoll denn: Werden zu wenige relevante Informationen übermittelt, sorgen Hochrechnungen für eine entsprechende Ergänzung, die möglicherweise nicht exakt genug sind. Dies führt im „worst case“ dazu, dass man für ein Profil einen zu hohen Preis bezahlt.

Wirklich rund wird das Thema ohnehin erst dann, wenn neben der Datenflut auch verlässliche und getestete Informationen über den Zusammenhang von Nutzerprofilen und Kaufverhalten der Nutzer existieren – im Optimalfall sogar ergänzt durch die Dimensionen Angebot und Werbeflächengestalten. Kurz gesagt: Es ist ein umfassendes A-/B-Testing notwendig, um die Potenziale von RTB wirklich zu erschließen – und das bedeutet neben konzeptioneller Arbeit auch sehr aufwändige und kostenintensive Vorbereitung. Von der rechtlichen Seite her ist RTB gesetzlich in Ordnung so lange die Daten vollständig „anonymisiert“ sind. Das heißt, dass „Einzelangaben über persönliche oder sachliche Verhältnisse nicht mehr oder nur mit einem unverhältnismäßig großen Aufwand an Zeit, Kosten und Arbeitskraft einer bestimmten oder bestimmten oder bestimmbaren natürlichen Person zugeordnet werden können.“ (BDSG)

Was der Datenaspekt aber noch zeigt ist, dass die Datenbasis als solche und die damit einhergehende Erhebung, Bereitstellung und Auswertung, eine immer wichtiger werdende Voraussetzung wird um erfolgreiches Online-Marketing zu betreiben. Die Entwicklung in Richtung RTB im Displaymarkt ist nur ein weiterer Beweis dafür.

4. Wer ist schon dabei?

Bei den Werbungtreibenden haben in  Deutschland die Branchen Style & Fashion, Technology & Computing und Shopping im dritten Quartal 2012 am meisten Werbegeld über Echtzeitauktionen ausgegeben.

Auf Vermarkterseite lassen sich leider noch keine konkreten Aussagen treffen. Erst kürzlich kündigte Spiegel QVC den Einstieg ins Real-Time-Bidding an und der Werbemarktplatz Adscale hat nach eigenen Angaben bereits zwei Drittel des angebotenen Werbeinventars für Real Time Bidding freigegeben. Ziel ist das gesamte Angebot über RTB zu handeln. Jedoch die Tatsache, dass RTB in Deutschland Zuwachsraten von gut 170% vorweisen kann, werden sicher nach und nach immer mehr Vermarkter bekanntgeben, dass ihr Inventar auch via RTB erwerbbar ist.

Rangliste RTB-Ausgaben der Werbungtreibenden Ende 2012

Rangliste RTB-Ausgaben der Werbungtreibenden Ende 2012

FAZIT:

RTB hat großes Potenzial – beim Einsatz müssen allerdings einige Aspekte beachtet werden:

RTB kann nicht komplett „traditionelle“ Umfeld-Buchungen ersetzen. Gerade zu Brandingzwecken und zur Emotionalisierung werden weiterhin Premium-Werbeflächen wichtig sein, da hier neben den Zielpersonen auch das Umfeld der Werbung eine große Rolle spielt und Awareness-Steigerungen nicht auf nachgelagerten Websites in immer derselben Zielgruppe erreicht werden. RTB ist nur sinnvoll, wenn es datenseitig richtig vorbereitet und angewendet wird, inkl. ausgeprägtem A-/B-Testing und kontinuierlichem Re-Testing.

Die zukünftige Bedeutung von RTB wird sehr stark davon abhängen, in welchem Umfang Publisher auch ihre Premium-Seiten über RTB anbeiten. Und das hängt wiederum davon ab, welche Preise hier gezahlt werden. Solange die Werbetreibenden RTB lediglich als „billige“ Variante für nicht ganz so schlechte Zielgruppen betrachten, sind hier enge Grenzen gesetzt. Wenn Werbungtreibende anfangen, wirklich alle Möglichkeiten von Daten-Analysen und zielgerichteter (und dann auch „teurer“) Zielgruppen-Werbung zu nutzen, kann RTB wirklich zu einer nachhaltigen Veränderung bei der Display-Vermarktung führen.

Die optimale Effizienz von Display-Aktivitäten wird schlussendlich ein Mix aus Premium-Umfeldern in Kombination mit Top-Performance-Bannern und extremer Zielgruppen-Ausrichtung sein. Dafür braucht es: die individuelle Technologielösung, die Klärung des Datenaspekts (eigene/3-Party-Daten), Integration in den gesamten Online-Marketing-Mix, genügend Testläufe und den richtigen Partner, der bei der Umsetzung hilft.

Quellen:

http://tinyurl.com/bzgslgt

http://tinyurl.com/ab4puyq

http://tinyurl.com/aey5gn6

http://tinyurl.com/bcu5jvv 

 

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